FG: Positives Eigenkapital zum 1.1.1999 gehört in die Berechnung der sog. Überentnahmeregelung

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen,

seit Jahren wundern wir uns, über die Berechnung der sog. Überentnahmeregelung (§ 4 Abs. 4a EStG) als außerbilanzielle gewinnerhöhende Hinzurechnung. Viele empfinden dieses sog. Eigenkapitalmodell sogar als ungerecht, weil – so der Steuergesetzgeber (§ 52 Abs. 11 Satz 2 EStG a. F.; § 52 Abs. 6 Satz 6 EStG) – die Überentnahmen und Unterentnahmen vor dem 1.1.1999 nicht berücksichtigt werden sollen. Dieses veranlasste das BMF zur Auffassung, dass ein positives Eigenkapital zum 1.1.1999 bei der Berechnung seit dem Jahr 2001 als auch für die Totalperiode seit dem 1.1.1999 unbeachtlich sei (BMF-Schreiben vom 17.11.2005, IV B 2 – S 2144 – 50/05, BStBl. 2005, 1019, Rdnr. 36; BMF-Schreiben vom 12.6.2006, IV B 2 - S-2144 - 39/06, BStBl. I 2006, 416).


Beispiel:
Ein Einzelunternehmer hat zum 1.1.1999 rd. 1.900.000 € positives Eigenkapital. Bis Ende des Betriebsprüfungszeitraums VZ 2004 ergibt sich nach der Berechnung des Einzelunternehmers kein negtives Eigenkapital und keine Überentnahmen. Somit auch keine gewinnerhöhende außerbilanzielle Hinzurechnung.


Das Finanzamt hat das positive Eigenkapital resultierend aus den Jahren vor 1999 unberücksichtigt gelassen, so dass eine Überentnahme vorlag und gewinnerhöhende außerbilanziell hinzurechnungspflichtige typisierende Schuldzinsen entstanden.

Bisher ergab sich folgender Anwendungsüberblick (BMF-Schreiben vom 12.6.2006, IV B 2 - S-2144 - 39/06, BStBl. I 2006, 416; BFH vom 21.9.2005, X R 40/02, BFH/NV 2006, 512)

  • VZ 1999 und VZ 2000: inklusive positiver Anfangsbestand zum 1.1.1999
  • VZ 2001 ff: exklusive positiver Anfangsbestand zum 1.1.1999

Jetzt hat FG Rheinland-Pfalz „den Bock umgestoßen“ und entschieden (FG Rheinland-Pfalz vom 9.8.2018, 5 K 1375/16, EFG 2018, 1624, nrkr.; Nichtzulassungsbeschwerde: BFH Az. X B 123/18), dass

  • das postive Eigenkapital zum 1.1.1999 berücksichtigt wird.
  • die sog. Überentnahmeregelung nur zu einer Hinzurechnung führen kann, wenn am Ende des jeweiligen Wirtschaftsjahres ein „überzogenes“ aktivisches Eigenkapital vorliegt.
  • solange das positive Eigenkapital nicht aufgebraucht ist, Entnahmen statt Überentnahmen vorliegen.

Unseres Erachtens ist diese Auffassung richtig, weil der Steuergesetzgeber das positive Kapitalkonto gar nicht ausgeschlossen hat. Eine Über- oder Unterentnahme hat die Formel: Entnahmen ./. Einlagen ./. Gewinn = Über-/Unterentnahmen (§ 4 Abs. 4a Satz 2 EStG). Das Kapitalkonto ist gar nicht gesetzlich geregelt. Somit ist die zeitliche Anwendung „Über- und Unterentnahmen vorangegangener Wirtschaftsjahre bleiben unberücksichtigt.“ bisher missverstanden worden.

Das FG Rheinland-Pfalz versteht ein aktuelles BFH-Urteil zur „Begrenzung der Überentnahmen auf den Entnahmenüberschuss“ (BFH vom 14.3.2018, X R 17/16, DStR 2018, 1545; CD 0001 0004 2018 0013; AKTUELLER STEUERDIALOG IV. 2018) so, dass die Überentnahmeregelung erst Anwendung findet, wenn der Einzel- oder Mitunternehmer mehr entnommen hat, als hierfür als Eigenkapital zur Verfügung steht (FG Rheinland-Pfalz vom 9.8.2018, 5 K 1375/16, a. a. O., Rdnr. 30).


Lösung:
Eine gewinnerhöhende Hinzurechnung wurde abgelehnt. 


Hinweis:

Die Finanzverwaltung hat beim X. BFH-Senat eine Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt, weil das FG Rheinland-Pfalz keine Revision zugelassen hat, da die Anwendungsfrage durch die ergangene BFH-Rechtsprechung geklärt ist!


 

Ihr Team zeitstaerken.de
StB Jürgen Hegemann / StBin Tanja Hegemann