FG: Steuerrechtlich anzuerkennender Kapitaleinkünfte-Verlust bei Darlehensverzicht eines KapGes-Gesellschafters

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen,

das FG Rheinland-Pfalz hat den Verzicht des Gesellschafters einer Kapitalgesellschaft auf eine Kapitalforderung (§ 20 Abs. 1 Nr. 7 Satz 1 EStG) gegenüber der Kapitalgesellschaft anerkannt. Dieser führt zu einem steuerrechtlich anzuerkennenden Verlust (§ 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7, Abs. 4 EStG) bei den Einkünften aus Kapitalvermögen, (1) wenn und (2) soweit die Kapitalforderung nicht werthaltig ist (FG Rheinland-Pfalz vom 19.11.2018, 3 K 1846/15, EFG 2019, 610, rkr.).


Sachverhalt:
Der Gesellschafter-Geschäftsführer der A-GmbH gewährte im Jahr 2004 ein unbefristetes Darlehen in Höhe von 290.000 € zu einem Zinssatz von 7,5 % p. a.

Mit Vertrag aus dem Jahre 2011 gewährte der Gesellschafter-Geschäftsführer dieser A-GmbH ein weiteres Darlehen in Höhe von 70.000 € zu einem Zinssatz in Höhe von 6,5 % p. a. Im Jahr 2012 vereinbarte der Gesellschafter-Geschäftsführer mit der A-GmbH – mit einer Abrede zum Besserungsschein – den Verzicht auf die zu diesem Zeitpunkt noch in Höhe von 245.000 € valutierenden Darlehen. Nachdem im Jahr 2013 das Insolvenzverfahren über das Vermögen der A-GmbH eröffnet worden war, veräußerte der Gesellschafter-Geschäftsführer seine Beteiligungen an der A-GmbH für einen Kaufpreis in Höhe von 1 € weiter. In seiner Einkommensteuererklärung machte der Gesellschafter-Geschäftsführer einen Veräußerungsverlust bei der Veräußerung von Anteilen an einer Kapitalgesellschaft (§ 17 EStG) geltend. Dabei wurden – neben der Stammeinlage und den Veräußerungskosten – auch die zu diesem Zeitpunkt verbliebenen Darlehensvaluten (245.000 €) als nachträgliche Anschaffungskosten auf die GmbH-Beteiligung angesetzt.


Das Finanzamt ging davon aus, dass der Ausfall der Darlehensforderung lediglich mit einem Wert von 0 € als nachträgliche Anschaffungskosten angesetzt werden könne.

Zu den Einkünften aus Kapitalvermögen gehören Erträge aus sonstigen Kapitalforderungen jeder Art, wenn die Rückzahlung des Kapitalvermögens oder ein Entgelt für die Überlassung des Kapitalvermögens zur Nutzung zugesagt oder geleistet worden ist, auch wenn die Höhe der Rückzahlung oder des Entgelts von einem ungewissen Ereignis abhängt (§ 20 Abs. 1 Nr. 7 Satz 1 EStG).

Ebenfalls zu den Einkünften aus Kapitalvermögen gehört der Gewinn bzw. der Verlust aus der Veräußerung von sonstigen Kapitalforderungen jeder Art (§ 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 EStG). Als Veräußerung in diesem Sinne gilt auch die Einlösung, Rückzahlung, Abtretung oder verdeckte Einlage in eine Kapitalgesellschaft (§ 20 Abs. 2 Satz 2 EStG).

Das Ergebnis ergibt sich aus dem Unterschied zwischen den Einnahmen aus der Veräußerung nach Abzug der Aufwendungen, die im unmittelbaren sachlichen Zusammenhang mit dem Veräußerungsgeschäft stehen, und den Anschaffungskosten (§ 20 Abs. 4 Satz 1 1. HS EStG).

Eine Veräußerung ist die entgeltliche Übertragung des – zumindest wirtschaftlichen – Eigentums auf einen Dritten. Auch wenn es bei einem endgültigen Ausfall einer Kapitalforderung an einem notwendigen Rechtsträgerwechsel fehlt, folgt aus der Gleichstellung der Rückzahlung mit dem Tatbestand der Veräußerung, dass auch eine ausbleibende Rückzahlung zu einem steuerrechtlich zu berücksichtigenden Verlust führen kann (FG Rheinland-Pfalz vom 19.11.2018, 3 K 1846/15, a. a. O., Rdnr. 64; BFH [Teilausfall] vom 24.10.2017, VIII R 13/15.).

Ein steuerbarer Verlust aufgrund eines Forderungsausfalls liegt jedoch erst dann vor, wenn endgültig feststeht, dass keine Rückzahlungen (mehr) erfolgen werden (FG Rheinland-Pfalz vom 19.11.2018, 3 K 1846/15, a. a. O., Rdnr. 66).

Die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Darlehensnehmers / Schuldners reicht hierfür – in der Regel – nicht aus (BFH vom 25.1.2000, VIII R 63/98, BStBl. II 2000, 343). Etwas anderes gilt, wenn die Eröffnung des Insolvenzverfahrens mangels Masse abgelehnt worden ist (BFH vom 12.12.2000, VIII R 22/92, BStBl. II 2001, 385) oder aus anderen Gründen feststeht, dass keine Rückzahlung mehr zu erwarten ist (BFH vom 13.10.2015, IX R 41/14, HFR 2016, 315).


Lösung:

  1. Die Analogie des Darlehensausfalls (ausbleibende Rückzahlung) zur tatsächlichen Rückzahlung oder Veräußerung ist nicht für Kapitalforderungen anzuwenden, die zum Zeitpunkt des vor dem 1.1.2009 gewährt worden sind (§ 52 Abs. 28 Satz 16 1. HS EStG; FG Rheinland-Pfalz vom 19.11.2018, 3 K 1846/15, a. a. O., Rdnr. 68). Der Darlehensverzicht hinsichtlich des Darlehens aus dem Jahr 2004 ist ein privater Vermögensverlust.
  2. Bei einem Verzicht eines Gesellschafters auf eine Kapitalforderung gegen die Kapitalgesellschaft / Darlehensnehmer kommt eine Gleichstellung mit einer Veräußerung nur in Betracht, (1) wenn und (2) soweit die Kapitalforderung nicht werthaltig ist (FG Rheinland-Pfalz vom 19.11.2018, 3 K 1846/15, a. a. O., Rdnr. 75; andere Auffassung: BMF-Schreiben vom 18.1.2016, IV C 1 – S 2252/08/10004, BStBl. I 2016, 85). Lediglich soweit der Forderung kein Wert mehr zukommt, macht es – wirtschaftlich betrachtet – keinen Unterschied, ob der Darlehensgeber seine Forderung für einen unter dem Nennwert liegenden Kaufpreis an einen Dritten abtritt oder ob er auf die Forderung verzichtet (RiBFH Jachmann-Nichel, BB 2018, 854 [861]; FG Rheinland-Pfalz vom 19.11.2018, 3 K 1846/15, a. a. O., Rdnr. 76; BFH [verdeckte Einlage] vom 9.6.1997, GrS 1/94, BStBl. II 1998, 307). Der Verzicht auf die im Jahr 2011 begründete Darlehensforderung ist grundsätzlich ein steuerrechtlich anzuerkennender Verlust (§ 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7, Satz 2, Abs. 4, § 52 Abs. 1 EStG; FG Rheinland-Pfalz vom 19.11.2018, 3 K 1846/15, a. a. O., Rdnr. 79). Allerdings ist der zu berücksichtigende Verlust nicht im Jahr 2013 zu berücksichtigen. Der am 31.3.2012 vereinbarte Verzicht auf das Darlehen - hingegeben im Jahr 2011 - ist vollumfänglich als anzuerkennender steuerrechtlicher Verlust bei den Einkünften aus Kapitalvermögen im Jahr 2012 zu berücksichtigen.

Hinweis:

In der Steuerberatungspraxis ist weiterhin präzise darauf zu achten, dass Verluste aus Kapitalvermögen zeitgerecht im Rahmen der Einkommensteuererklärung des Darlehensgebers eingetragen werden.


Beratung: In richtiger Art und Weise bestätigt das FG Rheinland-Pfalz die Auffassung, dass der Verzicht auf einen werthaltigen Gesamt- oder Teilbetrag einer Darlehensforderung gegenüber einer Kapitalgesellschaft aufgrund des Subsidiaritätsprinzips (§ 20 Abs. 8 EStG) zu den gewerblichen Einkünften aus der Veräußerung von Anteilen an einer Kapitalgesellschaft gehört (§ 17 Abs. 1 Satz 1 EStG), wenn die eigenkapitalersetzende Finanzierungshilfe bis zum 27.9.2017 geleistet wurde oder diese „alte“ Finanzierungshilfe bis zum 27.9.2017 eigenkapitalersetzend geworden ist (BFH vom 11.7.2017, IX R 36/15; verneinend: FG Berlin-Brandenburg vom 18.4.2018, 3 K 3138/15, EFG 2018, 1366).

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StB Jürgen Hegemann / StBin Tanja Hegemann