BFH: Meinungsstreit oberflächlich formulierter Rangrücktritt aus steuerrechtlicher Sicht

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen,

mehrfach wurden wir zur Anwendung eines bestehenden Rangrücktritts bezüglich des steuerbilanziellen Passivierungsverbots (§ 5 Abs. 2a EStG) angesprochen, weil ein bestehender insolvenzrechtlicher - einfacher oder qualifizierter - Rangrücktritt steuerrechtlich „zu oberflächlich“ formuliert ist. Entscheidend ist dabei, dass das bilanzsteuerrechtliche Ergebnis unabhängig vom insolvenzrechtlichen Ergebnis eintritt, weil das Passivierungsverbot (§ 5 Abs. 2a EStG) eigenständige Tatbestandsvoraussetzungen beinhaltet (vgl. RiBFH Wacker in „Zu den steuerbilanziellen Folgen des Rangrücktritts nach der jüngeren Rechtsprechung des I. BFH-Senats“, DB 2017, 26 [29]). Deshalb spricht RiBFH Wacker auch vom (steuerrechtlichen) sog. „spezialisierten Rangrücktritt“.

Der I. BFH-Senat und der II. BFH-Senat verfolgen eine Meinung. Verweist der Rangrücktritt zur Erfüllung der Verbindlichkeit und gegebenenfalls den Zinsen auch auf das „ freie Vermögen“, besteht kein Anlass das steuerbilanzielle Passivierungsverbot anzuwenden (BFH vom 28.9.2016, II R 64/14; BFH vom 10.8.2016, I R 25/15).

Genauso verhält es sich umgekehrt. Wird im Rangrücktritt ausdrücklich der Zugriff auf das sog. „freie Vermögen“ ausgeschlossen, sondern eine Tilgung und ggf. Zinszahlung nur aus künftigen Gewinnen und/oder Liquidationsüberschüssen vereinbart, erfolgt eine steuerbilanzielle Auflösung der Verbindlichkeit (Passivierungsverbot; § 5 Abs. 2a EStG). Bei der weiteren Bearbeitung des steuerbilanziellen Ertrags sind die körperschaftsteuerrechtlichen Regeln der verdeckten Einlage (§ 8 Abs. 2 Satz 3 KStG: (1) werthaltiger Teil = vE; (2) wertloser Teil = Ertrag) anzuwenden (vgl. RiBFH Wacker, DB 2017, 26 [28]).

Was ist aber das Ergebnis, wenn der Rangrücktritt weder positiv noch negativ auf das sog. „freie Vermögen“ verweist?

Die Finanzverwaltung sieht die Anwendbarkeit des Passivierungsverbots als verpflichtend an (BMF-Schreiben vom 8.9.2006, BStBl. I 2006, 497; ggf. einschränkend u. U.: OFD Niedersachsen Verfügung vom 11.4.2014, juris; vgl. RiBFH Wacher, DB 2017, 26 [30]).

Der IV. BFH-Senat hat eine andere Meinung vertreten (BFH vom 10.11.2005, IV R 13/04, BStBl. II 2006, 618). Meinungen anderer BFH-Senate liegen - mangels zweifelhafter Rangrücktrittsformulierungen - bisher nicht vor.

„(1) Eine Rangrücktrittsvereinbarung führt nicht schon dann zur Anwendung des § 5 Abs. 2a EStG i.d.F. des StBereinG 1999, wenn eine ausdrückliche Bezugnahme der Vereinbarung auf die Möglichkeit der Tilgung auch aus einem Liquidationsüberschuss oder aus sonstigem freien Vermögen fehlt (Klarstellung zum BMF-Schreiben vom 18.8.2004, BStBl. I 2004, 850 ).“

„(2) Soweit in diesem BMF-Schreiben (vom 18.8.2004, IV A 6 -S 2133 - 2/04, BStBl. I 2004, 850) jedoch die Meinung vertreten werden sollte, dass aufgrund von § 5 Abs. 2a EStG der Ansatz einer Verbindlichkeit ausgeschlossen sei, wenn eine ausdrückliche Bezugnahme der Rangrücktrittsvereinbarung auf die Möglichkeit der Tilgung auch aus einem Liquidationsüberschuss oder aus sonstigem freien Vermögen fehle, könnte der Senat dem nicht folgen.“

„(3) Vielmehr vertritt der Senat die Auffassung, dass ein von den Vertragsparteien nicht näher präzisierter Rangrücktritt nicht dahin gehend auszulegen ist, dass der Gläubiger für den Fall der Besserung auf die Rückzahlung des Darlehens aus einem Liquidationsüberschuss oder aus dem die sonstigen Verbindlichkeiten übersteigenden Vermögen des Schuldners verzichtet.“

Fazit:
Somit ist die Meinung des IV. BFH-Senats dahingehend zu verstehen, dass in diesem Fall kein Passivierungsverbot eintritt.

 

Ihr Team zeitstaerken.de
StB Jürgen Hegemann / StBin Tanja Hegemann