BFH: Nichtabzugsfähigkeit für eine Erstausbildung oder Erststudium

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen,

mit Wirkung ab dem Veranlagungszeitraum (Vz) 2004 ist der Steuergesetzgeber der bis dahin ergangenen BFH-Rechtsprechung entgegengetreten, indem er gesetzlich (§ 9 Abs. 6 EStG) die Abzugsfähigkeit von Kosten einer Erstausbildung oder Erststudium grundsätzlich als Werbungskosten ablehnt. Ein beschränkt abzugsfähiger Sonderausgabenabzug (§ 10 Abs. 1 Nr. 7 EStG) ist möglich, der wiederum aber keinen Verlustvortrag für zukünftige Veranlagungszeiträume zulässt. Der BFH hat nun den Werbungskostenabzug abgelehnt (BFH vom 12.2.2020, VI R 17/20).


Sachverhalt
Die Studentin studierte nach ihrem im Jahr 2003 abgelegten Abitur „Psychologie“ an der Universität. Im Juli 2006 erhielt sie den Abschluss „Bachelor of applied science". Am 1.10.2006 nahm sie ein Masterstudium der Neuro- und Verhaltenswissenschaften an der Universität auf. Die Studentin machte Aufwendungen für das (i) Bachelor- (5.937 €) und (ii) Master-Studium (4.000 €) als vorab entstandene Werbungskosten geltend. Sie begehrte einen Verlustfeststellungsbescheid, um die Aufwendungen für zukünftige Einkommensteuerfestsetzungen vorzutragen.

Das Finanzamt erließ daraufhin einen Bescheid über die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags zur Einkommensteuer auf den 31.12.2006, mit dem es feststellte, dass keine gesonderte Verlustfeststellung (§ 10d Abs. 4 EStG) durchzuführen sei, weil kein verbleibender Verlustvortrag (mehr) bestehe. Die Aufwendungen seien als Sonderausgaben nicht vortragsfähig.

Die Entscheidung des FG Düsseldorf, dass die Aufwendungen für das Bachelor-Studium der Studentin in X als Werbungskosten zu berücksichtigen seien, gründet auf der noch vor Geltung des Beitreibungsrichtlinie-Umsetzungsgesetzes anwendbaren Rechtslage. Auf dieser Grundlage gelangte das FG Düsseldorf unter Bezugnahme auf die ergangene BFH-Rechtsprechung (vom 28.07.2011, VI R 7/10, BStBl. II 2012, 557) zwar zutreffend zu dem Ergebnis, dass die Kosten für das Erststudium als Werbungskosten anzuerkennen und daher bei der Feststellung des verbleibenden Verlustabzugs auf den 31.12.2006 nicht ausgeglichene negative Einkünfte in Höhe von 5.937 € zu berücksichtigen seien (FG Düsseldorf [Vorinstanz] vom 25.11.2011, 1 K 2819/08 F, nrkr.).

Wie nun allerdings der BFH feststellte, konnte das positive vorinstanzliche Urteil keinen Bestand haben:

  1. Das gesetzliche Werbungskostenabzugsverbot ist verfassungsgemäß (BVerfG vom 19.11.2019, 2 BvL 22-27/14; BFH vom 12.2.2020, VI R 17/20, Rn. 18).
  2. Dieses Werbungskostenabzugsverbot ist im Vz 2006 anzuwenden (BFH vom 12.2.2020, VI R 17/20, Rn. 13).

Lösung:
Das Abitur ist der Schule zuzuordnen und stellt keine Erstausbildung dar. Das Bachelor-Studium fand außerhalb eines Dienstverhältnisses statt. Das Bachelor-Studium ist eine Erstausbildung bzw. Erststudium, weil die Steuerpflichtige vorher keine Ausbildung abgeschlossen hat. Ihre Aufwendungen im Jahr 2006 in Höhe von 5.937,05 € sind dem Sonderausgabenabzug zuzuordnen. Mangels ausreichender Einkünfte wirken sich diese Sonderausgaben im Vz 2006 nicht aus.


Beratung: Die Aufwendungen für das Master-Studium sind als Werbungskosten anzuerkennen (BFH vom 12.2.2020, VI R 17/20, Rn. 19, 20). Die geltend gemachten Aufwendungen müssen zwischen (i) Bachelor- und (ii) Master-Studium aufgeteilt werden.


Hinweis:

In sehr vielen Verfahren werden nun die Finanzämter zur Rücknahme der eingelegten Einsprüche und Änderungsanträge hinwirken. Auch die Aufhebung des verfahrensrechtlichen Vorläufigkeitsvermerks wird eintreten.


Schaubild

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StB Jürgen Hegemann / Tim Adrion