BMF: Anwendungsvorgaben zur Frage der Verfassungswidrigkeit der steuerrechtlichen Zinshöhe

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen,

das Bundesfinanzministerium (BMF) hat einen Erlass zur weiteren Vorgehensweise bei der Frage der möglichen Verfassungswidrigkeit der steuerrechtlichen Verzinsung mit monatlich 0,5 % bzw. jährlich 6 % veröffentlich (BMF-Schreiben vom 14.6.2018, IV A 3 - S 0465/18/10005-01; pdf-Download). Es ist die Reaktion auf den BFH-Aussetzungsbeschluss, die Zinshöhe könnte verfassungswidrig sein (BFH vom 25.4.2018, IX B 21/18).

Bisher hatte das Bundesverfassungsgericht (BVerfG)  zur Verzinsungsregelung (BVerfG vom 3.9.2009, 1 BvR 2539/07, BFH/NV 2009, 2115; BVerfG vom 3.9.2009, 1 BvR 1098/08, HFR 2010, 66) Nichtannahmebeschlüsse ausgesprochen zu der Frage, ob die monatliche steuerrechtliche Verzinsung in Höhe von 0,5 % verfassungsgemäß ist.

Jetzt hat der Bundesfinanzhof (BFH) in einem Verfahren zum vorläufigen Rechtsschutz Zweifel an der Verfassungskonformität des Zinssatzes (§ 238 Absatz 1 Satz 1 AO) für Verzinsungszeiträume ab dem 1.4.2015 geäußert und deshalb die Vollziehung eines Bescheides über Nachforderungszinsen (§ 233a AO) ausgesetzt.

Nach Auffassung des BMF ist es ungewiss, ob das BVerfG in den Verfahren 1 BvR 2237/14 und 1 BvR 2422/17 den Zinssatz von 0,5 Prozent pro Monat bei einer neuerlichen Prüfung unter Berücksichtigung der weiteren Marktzinsentwicklung in den letzten Jahren nun als verfassungswidrig einstufen wird.

Es ist zu unterscheiden zwischen Verzinsungszeiträumen

(1) ab dem 1.4.2015

(2) vor dem 1.4.2015.

Unerheblich ist dabei, zu welcher Steuerart und für welchen Besteuerungszeitraum die Zinsen festgesetzt wurden.
 

(1) Für Verzinsungszeiträume ab dem 1. April 2015 ist Aussetzung der Vollziehung (nur) auf Antrag des Zinsschuldners in allen Fällen anzuwenden, in denen gegen eine vollziehbare Zinsfestsetzung, in der der Zinssatz zugrunde gelegt wird, Einspruch eingelegt wurde.

(2) Für Verzinsungszeiträume vor dem 1. April 2015 ist Aussetzung der Vollziehung nur zu gewähren, wenn die Vollziehung für den Betroffenen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte und im Einzelfall ein besonderes berechtigtes Interesse des Antragstellers zu bejahen ist.

Quintessenzen
a) Einen automatisierten Vorläufigkeitsvermerk gibt es bisher nicht.
b) Gegen jeden Zinsfestsetzungsbescheid muss mittels Rechtsbehelfe vorgegangen werden, um den Zinsbescheid offen zu halten.
c) Wie o. a. ist die Aussetzung der Vollziehung (AdV) des Zinsbescheides davon abhängig, für welchen Betrag für welchen Verzinsungszeitraum „offen gehalten wird“.

 

Ihr Team zeitstaerken.de
StB Jürgen Hegemann / StBin Tanja Hegemann