BVerfG: Interessante anhängige Verfassungsbeschwerde

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen,

an dieser Stelle berichten wir immer über die vom BFH veröffentlichten und beim BVerfG neu hinzugekommenen Verfahren. Bedeutung können diese Verfahren für die BFH-Rechtsprechung als auch für das Verfahrensrecht (§ 363 Abs. 2 Satz 2 AO) entwickeln.

Der BFH hat die sog. behinderungsbedingten Umbaukosten als allgemeine außergewöhnliche Belastung (§ 33 Abs. 1 EStG) anerkannt (BFH vom 22.10.2009, VI R 7/09, BStBl II 2010, 280).

Dann hat der BFH allerdings entschieden, dass allgemeine außergewöhnliche Belastungen (§ 33 Abs. 1 EStG) grundsätzlich in dem Veranlagungszeitraum zu berücksichtigen sind, in dem der Steuerpflichtige sie geleistet hat. Das Abflussprinzip (§ 11 Abs. 2 EStG) gilt auch bei außergewöhnlichen Belastungen. Eine abweichende Steuerfestsetzung (§ 163 AO) ist atypischen Ausnahmefällen vorbehalten. Sie kommt nicht bereits dann in Betracht, wenn sich Aufwendungen im Veranlagungszeitraum der Verausgabung nicht in vollem Umfang steuermindernd ausgewirkt haben (BFH vom 12.7.2017, VI R 36/15, BStBl. II 979).


Hinweis:

Was der BFH unter einem „atypischen Ausnahmefall“ versteht, ließ er leider unbeantwortet.


Nun geht es in die nächste „juristische Runde“.

Jetzt ist beim Bundesverfassungsgericht (BVerfG) eine Verfassungsbeschwerde eingelegt worden, in der die Ablehnung des Billigkeitsantrags auf mehrjährige Verteilung der behinderungsbedingten Umbaukosten, um ein sog. „Verpuffungseffekt“ zu vermeiden, für verfassungswidrig gehalten wird. Es wird eine abweichende Steuerfestsetzung aus Billigkeitsgründen eingefordert (Verfassungsbeschwerde: BVerfG Az. 1 BvR 33/18; gegen BFH vom 12.7.2017, VI R 36/15, BStBl. II 979).

Beratung: Bei einschlägigen Fällen der Einkommensteuerfestsetzung sollte ein Billigkeitsantrag beim örtlich zuständigen Finanzamt eingereicht werden:

  1. Antragstellung bereits bei Abgabe der Einkommensteuererklärung mit Hinweis im Feld 175 (Ergänzende Angabe zur Steuererklärung (Zeile 98 des Mantelbogens)), dass eine abweichende Steuerfestsetzung aus Billigkeitsgründen (§ 163 AO) beantragt wird.
    Musterformulierung: „Sehr geehrte Damen und Herren. Abweichend von den allgemeinen Regeln des Abflussprinzips haben wir die sog. behinderungsbedingten Umbaukosten auf mehrere Veranlagungszeiträume verteilt und beantragen eine abweichende Steuerfestsetzung (§ 163 AO). Wir weisen auf die eingelegte Verfassungsbeschwerde hin (BVerfG Az. 1 BvR 33/18; gegen BFH vom 12.7.2017, VI R 36/15, BStBl. II 979).“
  2. Antragstellung nach Bekanntgabe des Einkommensteuerbescheides im Rahmen der Einspruchsfrist durch Anbringung eines Billigkeitsantrags.
    Musterformulierung:
    „Sehr geehrte Damen und Herren. Im Namen und im Auftrage des o. a. Steuerpflichtigen beantragen wir eine abweichende Steuerfestsetzung (§ 163 AO) hinsichtlich des Abflussprinzips bei den allgemeinen außergewöhnlichen Belastungen. Wir beantragen die sog. behinderungsbedingten Umbaukosten auf [x] Veranlagungszeiträume gleichmäßig zu verteilen. Wir weisen auf die eingelegte Verfassungsbeschwerde hin (BVerfG Az. 1 BvR 33/18; gegen BFH vom 12.7.2017, VI R 36/15, BStBl. II 979).

 

Ihr Team zeitstaerken.de
StB Jürgen Hegemann / StBin Tanja Hegemann